14. Juni 2015, 23:02Uhr: Wir kennen nun den Regen von oben, von der Seite und von unten ...
So, endlich ist wieder Zeit für ein Update, nachdem alle unsere Klamotten wieder trocken sind. Wir haben nun
den Polarkreis und die Lofoten hinter uns gelassen und kennen nun Regen von oben, Regen von der Seite und auch
Regen von unten. Aber der Reihe nach.
Immer wieder nutzen wir das Handy, um aktuelle Wetterdaten entlang unserer Route
abzufragen. Und was wir an Infos geliefert bekommen, stimmt uns nicht sonderlich heiter.
Ein Tiefdruckgebiet folgt dem nächsten und so fahren wir praktisch Tag für Tag mit
einer Regenfront gen Norden.
Geplant ist die Fahrt über die Rv17, ein landschaftlich reizvoller Abschnitt direkt entlang der Küste. Unser Ziel ist
Bodo, jener Hafenstadt, die sämtliche Überfahrten auf die Lofoten ermöglicht.
Der Atlantikstraßen-Abschnitt erfolgt auch durch das Übersetzen auf kleine Inseln. Diese haben dann eine Länge
zwischen 20 und 60 Kilometern, ehe wieder eine kleine Fährüberfahrt zur nächsten Insel erfolgt. So "hangelt" man
sich die Küste immer weiter rauf. Sicher, dieses Vorgehen nimmt einiges an Zeit in
Anspruch, wird aber mit grandiosen Aussichten auf das Meer, welches sich an
manchen Stellen links UND rechts der Straße befindet, belohnt.
Das "Insel-Hopping" funktioniert normalerweise recht gut, da die Fähren zeitlich
aufeinander abgestimmt sind. Normalerweise...
Völlig durchnässt erreichen wir die erste Fähre, die bereits mit geöffneten Bug
bereitstand. Wir wunderten uns, warum keines der wartenden Autos auf die Fähre
fuhr.
Ein Besatzungsmitglied ließ sich blicken und erklärte uns auf Englisch, das es ein technisches Problem mit der Fähre
gibt, man sei aber dabei, den Fehler zu beseitigen.
Mitleidig gestattete man uns schon auf die Fähre zu fahren und im Warmen und
Trockenen zu warten.
Wir erfuhren, ein Hydraulikschlauch der Maschine war defekt, Ersatz ist unterwegs
und die Reparatur könne 1-4 Stunden dauern. Ohne Worte...
Nach knapp 2 Stunden ging es dann endlich weiter, hatte aber zur Folge, dass wir
sämtliche Anschlussfähren nicht mehr rechtzeitig erreichen konnten.
Insgesamt 4 Überfahrten umfasste unsere Tagesetappe. An jeder Anlegestelle
mussten wir 30 - 90 Minuten warten. Wohlgemerkt: stehend in einer Schlange zwischen Autos im strömenden
Regen, "Warte-Häuschen" oder ähnliches gab es nicht.
Somit verpassten wir zeitbedingt unser Tagesziel um 130 km, was in Norwegen knapp über 2 Stunden Fahrzeit
bedeuten. Es ist zwar lange genug hell, um weiterzufahren, jedoch wäre die Chance auf eine geöffnete
Campingplatz-Rezeption außerhalb der Saison gegen 22:00 Uhr unwahrscheinlich.
Wir entschlossen uns, die Route nach Bodo am nächsten Tag abzuändern. Dieses
führte dazu, dass wir die "Hauptstraße des Nordens", die E6, befuhren, um die
verlorene Zeit aufzuholen, da wir unbedingt bis 15:00 Uhr die Fähre in Bodo
erreichen mussten, da diese nur zweimal am Tag übersetzt und wir sonst unser Zelt
am Hafen hätten aufschlagen können und bis zum nächsten Tag warten müssen.
Also Eile war angesagt. Gegen 10:30 Uhr (Samstag) erreichten wir den
Polarkreis. Dieser ist auf 700m Höhe gelegen. Der "Aufstieg" dorthin wurde mit
Temperaturen um den Gefrierpunkt begleitet, dazu Schneeregen und heftige Winde. Die Vegetation nahm
schlagartig ab. Zuerst trugen die Bäume keine Blätter mehr, dann gab es gar keine Bäume mehr, nur noch
Sträucher.
Wir machten Halt am Besucherzentrum des Polarkreises, der Regen setzte aus
und sogar die Sonne ließ sich blicken. Hier konnte man für "gutes" Geld
Touristen-Schnick-Schnack-Nepp kaufen konnte. Wir natürlich nicht, so ein Liter
Benzin hat für uns einen höheren Stellenwert als ein blinkender Schlüsselanhänger
mit der Aufschrift "...i crossed the Polar Circle..."
Mit unseren schwer beladenen, völlig verdreckten Maschinen erregten wir das
Interesse zahlreicher Chinesen, die als Reisegruppe mit einem Bus kurz nach uns
eingetroffen waren. Schnell wurden die Fotoapparate gezückt und ein paar Bilder
geschossen. Wir beantworteten mit einem freundlichen "HiHi" die Fragen der
Asiaten, da wir deren lustige Sprache nicht so recht verstanden. (Wahrscheinlich
haben Sie gefragt, "wie kann man so blöd sein..." Aber lassen wir das).
Auf jeden Fall ein Erlebnis, dort am Polarkreis zu stehen.
Wir erreichten die Fähre ab Bodo pünktlich. Für eine gute halbe Stunde schien
sogar die Sonne, bis dann doch die Wolken wieder das Sagen hatten. Frech wie
wir sind stellten wir uns mit den Bikes in die erste Reihe vor alle wartenden PKW.
Die Überfahrt war ebenfalls wieder sehr stürmisch. ABER: Dieses Mal machte
sich bei uns keine Übelkeit bemerkbar. Im Gegenteil. Wir hatten Hunger.
In Gegenwart einiger "Käsegesichter" verputzten wir jeder einen grossen
HotDog bei schwerem Seegang, was dazu führte, dass sich zwei unserer
Tischnachbarn zusätzliche Tüten reichen ließen.
Unsere Sorge bei diesem Geschaukel galt unseren Maschinen, die tief im Bauch des
Schiffes verzurrt auf uns warteten.
Die Sorge war so groß, dass Volki einen Steward bat, ihn noch einmal in den
abgesperrten Laderaum zu lassen, um nach den Bikes zu sehen.
Schnell wurden die Maschinen, die zum Glück noch standen, mit weiteren Gurten
verzurrt, und die Überfahrt endete pünktlich nach 4 Stunden auf den Lofoten in
Moskenes.
So fuhren wir direkt von der Fähre in den nächsten Regenschauer. "Das kann
doch alles nicht wahr sein"... dachte ich mir. Egal, wo wir hinkamen, der Regen war
schon da.
Zugegebenermaßen waren die ersten drei "Dörfer" auf den Lofoten absolut reizvoll
anzuschauen. (Diese "typischen" Lofoten-Dörfer wiederholten sich auf der
folgenden Weiterfahrt nicht mehr. Oder wir haben sie übersehen, weil alles grau in grau war). Wie eine surreale
Miniaturwelt. Vereinzelt standen die Gestelle für den Trockenfisch, der zu tausenden dort hing und diesen
einzigartigen, fischigen Geruch in der Landschaft hinterließ. (Aber nicht unangenehm...)
Jetzt heißt es, eine Unterkunft zu finden. Unser eingeplanter Campingplatz war ein Reinfall. Peitschender Regen
und Wind ließen uns auf eine Hütte hoffen, jedoch gab es dort keine.
Ein brummeliger Typ, der dort an der Rezeption die Stellung hielt, hatte auch offensichtlich keine Lust auf so späte
Gäste. Es war bereits nach Acht, er sprach kein Wort mit uns, brummelte sich etwas in den Bart und wählte eine
Nummer mit seinem Telefon. Während seines Gespräches im Nebenzimmer sah ich, dass wir ihn bei seiner
Lieblingsfolge Der Simpsons gestört hatten, der Fernseher lief leise in einer Ecke.
Er kam zurück und reichte mir WORTLOS das Telefon.
Verdutzt griff ich nach dem Hörer und eine (der Stimme nach) etwa 90 jährige Omma bot mir auf Englisch ein
Zimmer mit einem Doppelbett an.
Ihr Haus steht die Straße wieder zurück auf der linken Seite.
Nach kurzer Rücksprache mit Volki bedankten wir uns artig, lehnten das Angebot aber ab. (Volki und ich in einem
Bett... Wo wir beide doch Schnarchen. Nee, das hat nix).
Ausserdem erschien uns der Preis für die Bleibe etwas arg hoch - ein Schelm, wer dabei Böses denkt, dass hier
versucht wurde, unsere missliche Lage auszunutzen.
Somit ergatterten wir dann am späten Abend doch noch eine Bleibe in einem
Guest-House, direkt an einer Bucht gelegen. Zwar nur geringfügig günstiger,
dafür aber mit Küchennutzung und heisser Dusche, quasi als "Flatrate" (bislang
kosteten die warmen Duschen auf den Camping-Plätzen ca. 1€ für 3-5 Minuten.
Tja, heute nun am Sonntag verlassen wir die Lofoten (natürlich im Regen, jedoch
nur bis zum Nachmittag).
Die letzten Tage waren sehr "chaotisch", mit schlechtem Wetter, Zeitdruck und
der Ungewissheit, wo man für die Nacht eine Bleibe findet.
Aber auch das gehört zu einer solchen Reise.
Nach nunmehr viereinhalb Tagen und über 1000km im Dauerregen freuen wir uns über eine gefundene
(günstig), gemütliche, warme Hütte, in der wir neue Kraft tanken können für die noch verbleibenden knapp
4500km.
Bis bald wieder auf diesem Kanal...
Volki und Falko